Die (Natur-) Wissenschaft konzentriert sich auf das, was man experimentell und empirisch überprüfen kann. Da Gott sich einem naturwissenschaftlichen Zugriff entzieht und kein Gegenstand in der Natur oder eine Kraft ist, die man in einem Naturgesetz festhalten kann, wird die Wirklichkeit wissenschaftlich folglich so betrachtet, als gäbe es Gott nicht.
Mit den ersten Sätzen der Bibel bekennen die Christen hingegen, dass der lebendige Gott, die alles bestimmende Wirklichkeit, Himmel und Erde geschaffen hat. Alles, was da ist, ganz gleich ob wir es Kosmos, Natur, Leben oder Menschsein nennen, hat seine Initialzündung in Gott. Der Schöpfergott macht lebendig, indem er Anteil an seinem Leben gibt. Nach biblischer Lehre ist das Leben aller Lebewesen Gabe und Geschenk. Jeder Atemzug ist Teilhabe an Gottes Atem. Mehrmals heißt es: „das Wasser bzw. die Erde bringe hervor, und so geschah es“. Der Schöpfer ermöglicht die Dinge; er macht, dass die Dinge sich machen. „Schöpfung“ geschieht also durch Evolution. „Schöpfung“ meint dabei nicht nur einen Akt am Anfang der Welt, sondern zugleich die ständige Gegenwart Gottes in allen seinen Geschöpfen.
„Die unterschiedlichen Geschöpfe spiegeln in ihrem gottgewollten Eigensein, jedes auf seine Art, einen Strahl der unendlichen Weisheit und Güte Gottes wider. Deswegen muss der Mensch die gute Natur eines jeden Geschöpfes achten“, so Papst Franziskus in der Enzyklika Laudato Si von 2015 in Kap 69. Er betont in Kap 88, dass „die gesamte Natur Gott nicht nur kundtut, sondern auch Ort seiner Gegenwart ist. In jedem Geschöpf wohnt sein lebenspendender Geist… Die Entdeckung dieser Gegenwart regt in uns die Entwicklung der „ökologischen Tugenden“ an. „Das Universum entfaltet sich in Gott, der es ganz und gar erfüllt“ (Kap 233).
Nach dem bedeutenden Theologen Karl Rahner (1904 - 1984) ist Gott nicht etwas, was noch hinzukommt, wenn man alle Dinge der Welt zusammen nimmt. Lasse ich diesen Satz meditierend an mich heran, stellen sich ernsthafte Fragen wie: Wer, wo ist Gott, das Göttliche, der wahre Grund der Wirklichkeit denn?
Während „Pantheismus“ Gott und Welt gleichsetzt, vertritt der Papst in der Enzyklika einen „Panentheismus“, wörtlich den Glauben, dass „Gott in allem, alles in Gott“ ist. Nach dieser Auffassung ist Gott der Welt immanent (innewohnend) und zugleich zu ihr transzendent, d. h. sie übersteigend und von ihr unabhängig. Die Welt ihrerseits ist Gott immanent, in Gott und von Gott umfasst, ohne dass sie mit Gott identisch wäre. Franziskus drückt es in Kap 88 so aus, „dass ein unendlicher Abstand besteht und dass die Dinge dieser Welt nicht die Fülle Gottes besitzen.“ Gott selbst übersteigt die Welt. Gott ist in allem, und alles ist in Gott. Er entfaltet und verwirklicht sich in allen seinen Geschöpfen. Wer die Schöpfung als beseelte Einheit „sieht“, gibt mit dieser heilsamen Resakralisierung der Mitwelt eine fundamentale Bedeutung und allen Bemühungen um einen wirkungsvollen Schutz dieser mehr-als-menschlichen Welt eine tragfähige Grundlage.
Heiner Völkering, Osnabrück